Interventionsphilosophie


Gewaltsame oder kritische (traumatogene) Ereignisse müssen nicht immer traumatisch sein, auch wenn Menschen körperlich dabei verletzt worden sind. Viele Faktoren tragen dazu bei, ob jemand das traumatogene (möglicherweise traumatisch werdende) Ereignis psychisch heil übersteht, davon krank wird, oder ob er sogar daran wachsen kann. Soziale Unterstützung einerseits und Betonen (oder Reaktivierung) der persönlichen Ressourcen sind die zwei Interventionsmöglichkeiten, die frühzeitig und hauptsächlich durch psychologische Laien eingesetzt werden können.

In der Krisen- Betreuung, der präventiven Arbeit, wie auch in der Behandlung wird besondere Aufmerksamkeit auf die Ressourcen der Überlebenden und ihre kulturspezifischen Verarbeitungsweisen traumatogener Ereignisse gelegt und darauf geachtet, dass mit Sensibilität und Respekt die jeweiligen Ressourcen und kulturbedingten Interventionsformen gefördert werden.

Wenn Menschen einem traumatogenen Ereignis, d.h. einem Ereignis ausserhalb ihres normalen Erwartungs- und Erfahrungensbereiches, ausgesetzt waren oder ein Ereignis erlebten, in dem sie sich ausserordentlich hilflos, ohnmächtig und sich nicht-gewachsen und Todesangst fühlten, ist es normal, wenn sie mit ungewohnten und unangenehmen oder sogar schrecklichen Gefühlen und Gedanken reagieren und sich wie „verrückt“ benehmen. Erklärungsversuche für das Erlebte schlagen oft fehl und verursachen das Gefühl, dem Geschehenen und der Erinnerung daran, hilflos ausgeliefert zu sein. In dieser Phase ist es wichtig, sich mitzuteilen und Mitmenschen zu haben, die bereit sind zuzuhören, mitzutragen und durch ihre Anwesenheit ein besonderes Interesse zu zeigen und zu trösten.

Stressmanagement, Begleitung und CARE, Demobilisierung, Defusing und psychologisches Debriefing sind Interventionen, die präventiv nach einem traumatogenen Erlebnis eingesetzt werden können, um Betroffenen bei der Auseinandersetzung mit und Integration des Erlebten zu unterstützen, einer möglichen Chronifizierung von traumabedingten psychologischen Folgereaktionen vorzubeugen und die Rückkehr in ein normales Leben zu beschleunigen.

Interventionen wie Begleitung und CARE („psycho-soziale Betreuung“) werden so schnell wie möglich, d.h. sofot nach dem Ereignis angeboten, meistens auch in einer 1 zu 1 Betreuung. Defusing findet NUR für Einsatzkräfte nach dem technischen Debriefing, d.h. nach der Einsatznachbesprechung statt. Psychologische Debriefings dürfen erst nach mindestens 72 Stunden für Einzelne, oder auch für Gruppen getätigt werden. Alle Interventionen sollten in einem Rahmen eingebettet sein, der durch eine gleiche Kultur, in Bezug auf Herkunfts- oder Berufsgruppe geprägt ist. Der Einsatz von Peers , von Menschen mit gleichem beruflichen oder Erfahrungshintergrund ist hierbei von grosser Bedeutung. Wenn immer möglich sollte in der Muttersprache der Betroffenen gearbeitet werden.

Die Zusammenarbeit zwischen Peers und Vertretern der psychischen Gesundheit ist für das Gelingen der Interventionen zentral; Jede Gruppe hat ihre spezifischen Aufgaben; an der Front sind primär Peers gefragt, Freiwillige, die über Einsatzzentralen angefordert werden können zur Unterstützung nach kleineren oder grösseren kritischen Ereignissen. Die Vertreter des psychischen Gesundheit haben die Aufgabe, im Hintergrund den Peers Unterstützung bei Unklarheiten, bei eventueller Triage, und Supervision zu geben, bei Bedarf auch, mit ihnen ein psychologisches Debriefing zu tätigen.

Die Philosophie ist, dass Menschen nach dem Überleben eines traumatogenen Ereignisses zwar schwer leiden, seelisch durchgeschüttelt sind, dass sie aber in ihrer „Verrücktheit“ NORMAL sind und unter normalen und natürlichen Reaktionen leiden. Man kann sie verstehen, wenn man annimmt, dass im Ereignis selber der Körper für das Überleben alle biologischen Ressourcen mobilisiert hat – in der Stress Antwort- und dass dies nun nachklingt. Es ist die Aufgabe und moralische Verpflichtung der Gemeinschaft, ihren so getroffenen Mitgliedern Unterstützung zu geben und ihnen bei der Bewältigung des Geschehenen behilflich zu sein. So können Erkrankungen vermieden werden und im besten Fall, häufig sogar mit der Zeit post-traumatisches Wachstum gefördert werden.